Superior- Oracle, 02.02.22 (1)
Wasser ist rar geworden auf dieser Etappe. Der Bergbonus ist aufgebraucht. In den Superstitions traf ich auf mehr Wasser, als das GPS angekündigt hatte.
Hier unten ist es umgekehrt. Die erste Wasserstelle, die ich anpeilte, war versiegt, die zweite habe ich nicht gefunden und zur dritten schaffte ich es erst am nächsten Tag. Ich habe mich überschätzt, was die Tagesdistanz betrifft. Auf dem Pacific Crest Trail waren 20 Meilen (32km) täglich eine leicht zu bewältigende Distanz. Allerdings waren die Tage länger das Gelände anders und ich ein paar Jahre jünger.
Ich hatte eine Regentonne erwartet, traf auf ein kleines, solides Gebäude, welches Regenwasser auffängt und man sich am Wasserhahn bequem bedienen kann.
Die tägliche Strecke beschäftigen auch Granny und Sky, die ich im Gila Tal traf. Sie sind Richtung Norden unterwegs. Er hat lange Jahre gegen eine Krebserkrankung gekämpft. Seit wenigen Monaten wagt er zu glauben, dass er diese überleben könnte und ist dabei, sich wieder dem Leben zuzuwenden. Er habe mit einer Meile begonnen und sich sukzessive gesteigert. Heute könne er wieder 10 Meilen wandern, es tue ihm psychisch und physisch gut. Seine Partnerin Granny ist das erste Mal als Weitwanderin unterwegs. Sie hat einen besonderen Bezug zum AZT. Ihrer Mutter sehnlichster Wunsch sei es gewesen, nochmals auf dem AZT wandern zu gehen. Sie sei unheilbar krank gewesen und es hätte einiges an Logistik gebraucht, um diesen Wunsch umsetzen zu können.
Sie hätten Streckenabschnitte gewählt, die morgens und abends mit einem Fahrzeug zugänglich gewesen seien, damit die Mutter habe betreut werden können. Jemand sei mit allem Nötigen, inklusive Sauerstoffgerät, mitgelaufen.
Die Mutter von Granny ist wenige Wochen nach dieser Wanderung gestorben. Dass sie ihr diesen Wunsch haben erfüllen können, habe ihnen allen den Abschied erleichtert, sagt Granny. Sie lächelt mit Tränen in den Augen.
So ähnlich stelle ich mir meinen Tod auch vor. Wenn der Rucksack zu schwer, der Weg zu steil und der Körper zu schwach, dann würde ich die Last niederlegen und auf das Unvermeidliche warten. Falls ich denn noch Wünsche frei hätte, dann möge der Übergang sanft, bewusst und- ohne Sauerstoffgerät geschehen.
Ganz anders geht es streckenmässig am Sonntag zu. Statt Wasser für eine allfällige Übernachtung mitzuschleppen, belasse ich es bei einer Tagesration und beschliesse, die ca. 35 km zur nächsten Wassequelle durchzuziehen. Ich bin eingelaufen, es geht sich gut auf. Das Gelände kommt mir entgegen, es ist flacher geworden. Abends gibt's " Mashed Potatoes" und Nudeln, aber nicht à la finnoise, sondern separat.
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